Geschichte Fluxionspotenzen
Zusammenfassung
Mit diesem Artikel werden die zu Unrecht seit Jahrzehnten in Vergessenheit geratenen kontinuierlichen Fluxionspotenzen wieder in Erinnerung gebracht. Ausgehend von den historischen Methoden der Jahrhundertwende werden die Prinzipien ihrer Herstellung, im besonderen die Variante des Autors, umrissen. Weiters werden die Bezeichnung der Arzneien und die Darreichungsformen beschrieben.
Einleitung Fluxionspotenzen
Zur Zeit der stürmischen Entwicklung der Industriellen Revolution, 1850 bis 1920, fand sich in Nordamerika eine Gruppe von Homöopathen, die Hochpotenzen mit Hilfe von Potenziermaschinen herstellten. Obwohl die arzneiliche Kraft dieser Mittel unbestritten ist, gerieten deren Herstellungsmethoden großteils in Vergessenheit, das hier genannte Prinzip der kontinuierlichen Fluxionsdynamisierung wird heutzutage nur von südamerikanischen Herstellern in größerem Ausmaß angewandt. Die fast ein Jahrhundert zurückreichenden Erfahrungen namhafter Autoren mit diesen Arzneien haben gezeigt, daß sie auch für den europäischen Homöopathen eine echte Alternative zu den hier erhältlichen, diskontinuierlichen Hochpotenzen darstellen können.
Definition Fluxionspotenzen
Die Bezeichnung Fluxion stammt aus dem englischen Sprachgebrauch und bedeutet so viel wie fließen. Das Prinzip dieser Potenziermethode beruht auf der Beobachtung, daß Turbulenzen in einer Flüssigkeit einen Dynamisierungseffekt haben.
Diese Beobachtung ist schon fast so alt wie die Homöopathie selbst. Sie wurde um die Jahrhundertwende von B.Fincke bei Versuchen, Potenziermaschinen zur Vereinfachung der Hochpotenzherstellung zu konstruieren, gemacht.
Der Vorgang der Dynamisierung, also das Schütteln oder Rühren nach dem vorausgehenden Verdünnen, stellt prinzipiell eine Zufuhr von mechanischer Energie in das System Arznei -Arzneiträger dar. Ein Ansatz zum Verständnis der Wirkungsweise von Homöopathica wäre die Hypothese, daß sich die molekularen Eigenschaften des Arzneimoleküls auf das Lösungsmittel übertragen, daß also Information auf den Trägerstoff übergeht.
Versuche Dunhams zeigten, daß besonders kraftvolle Arzneien erhalten werden, wenn man die Schlagkraft einer schweren Ölmühle zum Potenzieren verwendet (9). Er band 120 Gläser am Schlagbalken der Mühle fest und versetzte ihnen bei jedem Schritt 125 Schläge mit großer Wucht. Er stellte auf diese Weise Hochpotenzen nach der Einglasmethoder her. (6)
Auch E. Nash machte bei der Herstellung seiner Arzneien Gebrauch von einem selbstregulierenden Potenziergerät. (13, 30)
Zahlreiche Versuche dieser Art haben gezeigt, daß für die Herstellung einer kraftvoll wirkenden Arznei nicht unbedingt die mechanische Energie einer Herstellperson notwendig ist, sondern daß die Arzneien auch durch Maschinen, sogenannte Dynamisatoren, entstehen können.
Man unterscheidet zwei Arten der Fluxionspotenzierung, beiden gemeinsam ist das Prinzip der Einglaspotenzierung:
1. Die kontinuierliche Methode, bei der in das Dynamisiergefäß fortwährend Flüssigkeit zugeführt und gleichzeitig durch eine Ablaufvorrichtung entfernt wird. Die Potenzstufen werden aus dem zugeführten Volumen des Verdünnungsmediums errechnet, sie lassen sich rein rechnerisch nicht mit denen der C- oder D-Reihe vergleichen. Neben B. Fincke arbeiteten S. Swan, J.T. Kent, und H.C. Allen nach diesem Prinzip. (25, 1, 19)
2. Die diskontinuierliche Methode, bei der ein Arzneiglas mit Dilutionsflüssigkeit wiederholt befüllt und entleert wird, was also ein automatisiertes Korsakovpotenzieren darstellt (29). Nach diesem Prinzip arbeiteten S.P. Burdick (26), Th. Skinner und (20) J.Jarricot (23). Die Apparatur nach Skinner wurde bis vor kurzem von Boericke und Tafel zur Herstellung von Skinner-Hochpotenzen eingesetzt, welche in den USA die größte Verbreitung unter derartigen Arzneien gefunden haben.
Verfahren nach B. Fincke (1)
Einer der Pioniere der kontinuierlichen Methode war Bernhardt Fincke, der durch Boenninghausen zur Homöopathie gebracht wurde. Er wanderte 1852 nach USA aus, wo er an der Universität von New York sein Medizinstudium absolvierte. Er machte zahlreiche Versuche zur Herstellung von Hochpotenzen. Sein Werk "On High Potencies" wurde 1865 von A.J. Tafel in Philadelphia veröffentlicht und beschreibt Erkrankungen von Personen, die durch Hochpotenzen geheilt wurden (5).
Zunächst ging Fincke von einer handpotenzierten C30 aus. Bis zur C30 dynamisierte er in der Korsakovweise, wobei er jede Stufe 180 mal im Dactylus-Rhythmus schüttelte (Eins- zwei- drei). Diese Potenzen verwendete er für die Herstellung der Hochpotenzen. Er erhielt für seine Potenziermaschine 1869, 4 Jahre später, ein Patent.
Sein Prinzip nützt zur Dynamisierung der Arznei die Turbulenzen aus, die beim Zutropfen des Arzneiträgers in ein Potenziergefäß entstehen.
Bei dieser Anordnung wurde von einem Vorratsgefäß die Flüssigkeit in ein kleines "Regulatorfläschchen" getropft, das ein bis zum Boden reichendes Glasrohr enthielt. Beim Zutropfen einer Volumeneinheit wurde 1 Potenzierungsschritt durchlaufen. Fincke maß der Form des Fläschchens große Bedeutung für die Qualität der Dynamisierung zu. Das Fläschchen hatte einen verjüngten Hals, durch den ein kurzzeitig erhöhter Innendruck beim Eintropfen der Flüssigkeit gewährleistet war.
Bei dieser Anordnung wurde von einem Vorratsgefäß die Flüssigkeit in ein kleines "Regulatorfläschchen" getropft, das ein bis zum Boden reichendes Glasrohr enthielt. Beim Zutropfen einer Volumeneinheit wurde 1 Potenzierungsschritt durchlaufen. Fincke maß der Form des Fläschchens große Bedeutung für die Qualität der Dynamisierung zu. Das Fläschchen hatte einen verjüngten Hals, durch den ein kurzzeitig erhöhter Innendruck beim Eintropfen der Flüssigkeit gewährleistet war.
Als Dilutionsflüssigkeit wählte er normales Leitungswasser seines Labors in New York. Dies erscheint zunächst ungewöhnlich, er begründete aber seinen Schritt damit, daß man, ausgehend von einer C30, allein durch die Wahl des Dilutionsmittels das homöopathische Bild der Arznei nicht mehr wesentlich beeinflußt.
Das ist eine Hypothese, der man sich schwer entziehen kann, da man sich tatsächlich längst im amolekularen Bereich der Arzneiverdünnung befindet, es geht hier sicher ausschließlich um Übertragung von arzneilicher Information unter Verwendung des allgegenwärtigen Stoffes Wasser. Ein Hinweis auf die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich durch die positiven Erfahrungen mit derart hergestellten Arzneien.
Wenn der Potenzierungsgrad erreicht war, wurde das Regulatorfläschchen mit einer Injektionsnadel entleert, zweimal mit Ethanol per Hand geschüttelt und dann der Inhalt auf Globuli aufgebracht. (27)
Fincke stellte seine Arzneien bis zum Jahre 1905 her, und sowohl Kent (1) wie auch Dunham (24) berichteten über ihre Experimente mit diesen Arzneien.
Außer Zweifel steht ihre hohe Wirksamkeit: So berichtet Kent: "The Fincke hight potencies never failed me; they act quickly long and deeply."
Auch E.B. Nash veröffentlichte seine Erfahrungen, die er mit Arzneien dieser Art in der 100M und MM-Potenz gemacht hatte, und er war von deren kräftigen Wirkung überzeugt (10, 13, 28).
Die Apparaturen Finckes und einige der Originalarzneien mit der Bezeichnung "Similia Minimus" sind von Finckes Verwandten der Firma Bornemann übergeben worden und stehen heute im Besitz von Boiron (1).
Es wurden laufend weitere Verfahren entwickelt, die jenem Finckes sehr ähnlich waren:
Apparatur nach Samuel Swan (25)
Seine Maschine ist mit jener B. Finckes vergleichbar, sie enthielt jedoch zwei Abweichungen:
-
Die zugeflossene Wassermenge wurde mit einer sehr genauen Wasseruhr gemessen.
-
Von ihr weiterführend wurde das Wasser durch ein perforiertes Rohr gepresst und die dabei auftretenden Turbulenzen bewirkten eine intensive Durchmischung und Dynamisierung der Arznei. Swan verwendete die Zwischenstufen, um daraus in einem weiteren Arbeitsschritt die höheren Potenzen herzustellen, wobei er bei einem neuen Abschnitt immer ein neues Glas einsetzte - "intermittierende Fluxionspotenzen". (12, 15, 28, 31)
Fluxions-Verfahren nach Lock (21)
Heute werden Fluxionspotenzen des kontinuierlichen Verfahrens in Brasilien und Argentinien angewandt. Bei der Methode nach Lock wird in einen kleinen Glaszylinder, der mit einer Ablaufvorrichtung versehen ist, laufend Dilutierflüssigkeit zur Arznei getropft. Dabei wird die Flüssigkeit sehr intensiv gerührt (je nach Hersteller 2400 - 15.000 U/min). Das Maß des Potenzierungsgrades stellt dabei die Anzahl der Rührstabumdrehungen sowie das Volumen der durchgeflossenen Arzneiträgerflüssigkeit dar. Mit dieser Apparatur werden in einer Minute 300 Potenzschritte, oder in 24h 432.000 Potenzstufen erreicht (3,18).
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- Dellmour, F.: Die Bedeutung der C3-Trituration für die Arzneiherstellung.LMHA-Kongress Wien (1993).
- Produktinformation Saia-Burgess, Zieglergasse 56, A-1070 Wien, Tel. 0222-5221974
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